Euroregion Elbe/Labe

Petr Globočnik

Socially engaged in Litvínov

Petr Globočník (*1982) is a well-known name in northern Bohemia, and not only thanks to his efforts to limit the area for brown coal mining in the Oberleutendorf region. In a place most people describe as "socially excluded," he and local residents are creating a space for community activity, and he has chosen to live there with his family. It is about nothing less than the return of neighborly togetherness - in the ghetto and in the former German villa. He knows very well that life in the Sudetenland can be both a curse and a blessing.

Warum engagieren Sie sich gerade in Ober Leutensdorf für die Gemeinschaft?

Als Teenager war für mich Ober Leutensdorf das Zentrum der Welt. Und die Siedlung Johnsdorf ihr Nabel. Allmählich wurde mir klar, dass es nicht ganz so war und dass es viel schönere und interessantere Städte gab. Mein Interesse an Ober Leutensdorf ist jedoch geblieben, ich habe einen gewissen Patriotismus in mir. Das ist es, was uns auch in dem Verein miteinander verbindet. Wir wurden in dem Moment aktiv, als wir den Zerfall der Stadt bemerkten. Wenn man in den 1990er Jahren über den Platz ging, war er voller Menschen und voller Aktivitäten, die Menschen liefen hier und dort, es war vergleichbar mit dem Prager Wenzelsplatz. Wenn man heute dorthin geht, hat man das Gefühl, in einer Geisterstadt zu sein, und das vermissen wir inzwischen sehr. Ich glaube nicht, dass wir mit unseren Aktivitäten einzigartig sind — die Prager Klinika zum Beispiel, das ist eine ganz ähnliche Idee, nur haben wir nie ein Haus besetzt. Unser Verein wurde 2014 gegründet und wir wollten sofort damit beginnen, den Gebäudekomplex der ehemaligen Poliklinik, der ein technisches Denkmal ist, zu retten. Wir haben damals mit der Stadt verhandelt, wir wollten nichts Illega-les tun. Aber es stellte sich heraus, dass es sich um ein langfristiges Projekt handelte und die Stadt nicht gerade ein dauerhafter Partner war. Letztendlich sind wir den Weg gegangen, dass ich das Gebäude gekauft habe (der Verein hatte nicht so viel Geld) und wir es gemeinsam renovieren. Wir wollten noch ein weiteres Gebäude retten, das älteste Haus im Zentrum von Ober Leutensdorf, Nr. 158, ein Haus mit einem Fachwerkdach. Leider konnten wir uns nicht über den Preis einigen, er war zu hoch. Ich bin Sozialarbeiter von Beruf und habe eine Familie, da konnte ich es mir nicht leisten. Im Laufe der Zeit waren wir bei den Kommunalwahlen erfolgreich, und wie die meisten Politiker, gab auch ich ein Wahlversprechen und sagte, dass wir nach Johnsdorf ziehen würden. Wir begannen mit der Wohnungssuche, aber die Mieten waren für tschechische Verhältnisse irrsinnig hoch, in der Regel um die 14.000 Kronen. Damals sagten meine Frau und ich, dass wir das Geschäft mit der Armut nicht unterstützen wollten, denn für so viel Geld kann man in Prag eine Wohnung mieten, aber nicht hier im Ghetto. Später erhielten wir ein günstigeres Angebot von der Wohnungsbaugenossenschaft Krušnohor, aber wegen ihres Umgangs mit den Roma hatten wir ein ethisches Problem mit ihnen und lehnten ab. Und so sind wir in der Villa Carola gelandet, die groß genug ist, um dort zu wohnen und gleichzeitig Platz für Gemeinschaftsveranstaltungen bietet.

Petr Globočník und Carola.

Was haben Sie denn konkret in Angriff genommen?

Wir haben zum Beispiel die ehemalige Kasse am Eingang zum Areal Loučky in eine Bücherbox umgewandelt. Oder wir haben den Quellbrunnen Brožík restauriert. Es ist ein steinernes Denkmal für einen Mord, der sich dort ereignet hat, ein Eifersuchtsmord, vielleicht eine Dreiecksbeziehung. Eine große Aktion war die Einrichtung eines Parks auf dem Dach des Supermarktes. Dessen Bau war sehr umstritten, da er den Park in Beschlag nahm und schöne alte Bäume fällte. Viele jüngere Menschen haben dagegen protestiert. Billa hatte damals versprochen, auf dem Dach einen Park zu errichten, aber sie legten nur eine Art Rasenteppich aus, und das war‘s dann auch schon. Wir haben Bänke aufgestellt, eine Skulptur aus Weidengeflecht und Sinnespfade angelegt, Blumen gepflanzt und einen Mülleimer aufgestellt, damit es wenigstens ein bisschen wie ein Park aussieht. Und plötzlich fingen die Leute an, dorthin zu gehen.

Wann haben Sie angefangen, „Dysfunktionalitäten“ zu bemerken?

Und was hat Sie dazu bewogen, den Verein zu gründen? In erster Linie war es die Erfahrung aus der „großen Welt“. In Italien habe ich zum Beispiel als „Osteuropäer“ Rassismus erlebt, als ich ausgegrenzt wurde. Ich habe Rassismus am eigenen Leib erfahren, als man in einem Geschäft nicht mit mir sprechen wollte, weil ich kein Italiener war. Und das, obwohl sie mich zum ersten Mal in ihrem Leben sahen und ich ihnen nichts Böses getan hatte. Oder ein Italiener rief mir zu: „Hey, Ivan!“ Das war sehr unangenehm! Irgendwie wollte ich dagegen ankämpfen und mich dem stellen, und so bekam ich den Spitznamen „Grande Checo“, was entweder der große Tscheche oder der blinde Mann bedeutet. Ich bin mir bis heute nicht sicher, was sie damals gemeint haben. Aber ich habe dort auch erfahren, wie Gemeinschaften funktionieren, und dass es, wenn man Teil einer Gemeinschaft wird, keine Rolle spielt, was für ein Mensch man ist, sie akzeptieren einen einfach bedingungslos. Ich habe festgestellt, dass das hier nicht funktioniert. Dann war ich ein paar Jahre in Prag, aber die Stadt ist übersättigt mit Aktivitäten. In Ober Leutensdorf habe ich das vermisst, die Leute trafen sich nur in Kneipen und in einem Club, was ich nicht genug fand. Ich sagte mir, dass der öffentliche Raum öffentlich ist und von Menschen genutzt werden sollte — nicht von Autos! Nicht nur ich habe es vermisst, sondern wir alle hatten irgendwann das gleiche Gefühl. Wir haben einen Aufruf auf Facebook gestartet, ein paar Leute haben sich gemeldet, wir haben uns zusammengesetzt und nach etwas Sinnvollem gesucht, das wir tun können. Wir haben mit kleinen Guerilla-Aktionen begonnen. Zum Beispiel haben wir einen Bildstock versetzt. An einem Ort in Ober Leutensdorf stand ein Bildstock und die Stadt behauptete immer wieder, sie könne ihn nicht reparieren, weil er auf dem Grundstück eines Privatunternehmens stehe. Das Grundstück war etwa 5 m2 groß und das betreffende Unternehmen war insolvent und reagierte auf keine Anfrage. Eines Tages sind wir mit einer Winde dorthin, hängten ihn an und versetzten ihn um ein paar Meter — auf das Grundstück der Stadt. Es war eine ziemlich kontroverse Sache und ich weiß nicht, wie es am Ende ausging. Ich weiß nicht einmal, wo dieser Bildstock gelandet ist, er ist einfach verschwunden... Ich sollte mich mal umhören!

Was war die Absicht dieser Guerilla-Aktionen?

In erster Linie wollten wir den öffentlichen Raum verbessern, der hier ziemlich verarmt ist. Allein den Flyer der Stadt zu lesen grenzt schon fast an ein Trauma! Eigentlich lädt er mehr dazu ein, andere Städte zu besuchen, als Ober Leutensdorf. Wir haben aber auch andere Vereine unterstützt, wie den Verein der Freunde der Geschichte von Ober Leutensdorf, der die Czedik Gloriette [Erbaut zu Ehren von Alois Czedik (1892) für den Bau des Bahnhofs Wiesa.] restauriert hat, und gemeinsam machen wir auf unsere Geschichte aufmerksam. Ober Leutensdorf ist nicht einfach vom Himmel gefallen. Hier gab es nicht viele Bezüge zur Vergangenheit, in den Grundschulen wurde keine Regionalgeschichte gelehrt. Wir wollten bei den Menschen ein Gefühl der Zugehörigkeit schaffen und sie durch unsere Veranstaltungen näher zusammenbringen, so dass sie die Stadt als ihr Zuhause betrachten. Sie sollen erkennen, dass es manchmal gut ist, für die Heimat zu „kämpfen“ oder etwas für sie zu tun, auch wenn dies mit Unannehmlichkeiten verbunden ist. Dass das Leben nicht nur darin besteht, nach der Arbeit im Supermarkt einzukaufen, den Fernseher einzuschalten oder zu einem Eishockeyspiel zu gehen. Wir wollten nicht, dass die Menschen hier nur überleben oder von hier abhauen. Wir wollten zeigen, dass Ober Leutensdorf viel mehr zu bieten hat.

Was war zuerst da — der Verein oder die Villa Carola?

Vor dem Verein gab es die Idee. Vor der Gründung des Vereins war ich als Sozialarbeiter im Rahmen eines Projekts in Deutschland. Das Projekt hieß „Inspiration: Sachsen“, und ich war wahrscheinlich der Einzige, der davon wirklich inspiriert war. Ich hatte den Eindruck, dass sich die anderen Teilnehmer vor allem über das Taschengeld gefreut haben. Dort habe ich gesehen, dass Gemeindezentren anders funktionieren können als das, was wir von uns kennen: niedrigschwellig, Fußball, Tischtennis und sich eingliedern. Mir wurde klar, dass wir ohne einen festen Ort, ein Gebäude, kein Gemeindezentrum bauen konnten. Und dann fanden wir Carola. Für mich ist ein Kindheitstraum in Erfüllung gegangen, denn ich bin in einer Wohnsiedlung aufgewachsen und wir sind oft an Carola vorbeigegangen. Und ich dachte mir immer, dass ich eines Tages dort leben würde. Dann habe ich diesen Traum vergessen, und erst Jahre später, als wir die Villa kauften, erinnerte ich mich wieder daran. Es fiel mir wieder ein, und mir wurde klar, dass ich schon mein ganzes Leben dort leben wollte. Aber ich war sicher nicht allein — viele Kinder, die in der Wohnsiedlung aufwuchsen, fühlten genau das. Es war kein Wohnblock, und deshalb ein interessantes Haus für uns. Zuerst war also die Idee da, dann der Verein und dann der physische Raum und die Realisierung — Carola.

Die Villa Carola sticht wie ein Leuchtturm aus dem Plattenbaumeer heraus.

Ober Leutensdorf wird oft mit baufälligen Plattenbausiedlungen in Verbindung gebracht, aber es hatte durchaus einen historischen Kern...

Ja, aber die Genossen haben es dem Erdboden gleichgemacht! Deshalb ist Ober Leutensdorf heute eine so hässliche Stadt, vor allem das Zentrum. Überall sind nur Plattenbauten zu sehen. Aber früher war das anders, auf historischen Zeichnungen sind Teiche, Manufakturen, ein System von Wasserwerken im Zentrum von Ober Leutensdorf zu sehen. Daran mangelt es heute sehr, denn eines der Dinge, die im Stadtzentrum fehlen, ist Wasser. Vor allem jetzt, in den trockenen Jahren, ist das ein wichtiges Element. Aber Johnsdorf ist speziell. Bevor dort eine Wohnsiedlung gebaut wurde, war Johnsdorf eine bedeutendere Gemeinde als Ober Leutensdorf. Sie wurde nur wegen der industriellen Produktion überholt. In Johnsdorf gibt es sogar ein Schloss! Interessant ist auch, dass die Gärtenstraße zu uns führt, was auf eine reiche Geschichte verweist, die eher in Vergessenheit geraten ist. Obst- und Gemüseanbau gehören seit jeher zu unserer Landschaft, und fast jeder kennt den Begriff „Garten Böhmens“. Nur heute assoziieren wir ihn mit Leitmeritz, und bei uns ist nur noch der Braunkohlestaub übrig. Eine der Ideen unseres Vereins ist es, auch wenn wir keine Historiker sind, zumindest ein Grundwissen über Geschichte zu vermitteln. Es kommt nicht von ungefähr, dass die Straße zwischen den Plattenbauten Gärtenstraße heißt...

Was war die Hauptmotivation, eine so große Sache zu starten?

Wohl kaum ein Kindheitstraum... Es war die Abwesenheit von Dingen, die Leere! Diese Leere begünstigt das, zumindest für
mich. Und manchmal hängt es auch davon ab, wen man trifft. Man fängt an, miteinander zu reden, und im Kopf entsteht eine Idee. Es ist nicht so, dass ich mir eine Karte von Ober Leutensdorf anschaue und sage: Hier wird das Segelboot stehen, hier das Gemeindezentrum. Das ist nicht der Fall. Manchmal geht man durch das Leben, und auf dem Weg dorthin eröffnen sich verschiedene Möglichkeiten. So war es auch bei Carola. Ich bin nicht bereit, mich mit einer Situation abzufinden, die ich für aussichtslos halte. Ich versuche immer, etwas dagegen zu tun.

Was ist für Sie die größte Belohnung?

Was ich an Johnsdorf liebe, ist, dass in Carola die Mehrheit auf die Minderheit trifft. Sie sind in diesem Moment durch die gemeinsame Arbeit vereint und schaffen es dadurch, informelle Beziehungen zu knüpfen. Ich glaube nicht, dass sich diese Leute auf der Straße grüßen würden. Dank unserer Aktivitäten können sie sich gegenseitig „beschnuppern“ und feststellen, dass nichts dabei ist, Freunde zu sein. In Carola geht es um die Menschen... Die Möbel und die Ausstattung spielen keine Rolle — die Menschen sind die Hauptsache.

Was planen Sie noch in Carola?

Vieles wird davon abhängen, welche Art von Menschen zu uns kommt. Es ist im Moment sehr dynamisch. Aber wir haben bereits Platz für einen Gemeinschaftsgarten und eine Werkstatt geschaffen, und die wollten wir dort unbedingt haben. Um mein Versprechen einzulösen, tatsächlich in Johnsdorf zu leben, haben wir auch eine Wohnung für unsere Familie in Carola. Aber glauben Sie nicht, dass wir die halbe Villa in Beschlag nehmen, das sicher nicht! Uns genügt eine Dreizimmerwohnung. Aber wir sind 365 Tage, rund um die Uhr, hier. Wir würden gerne Wohnungen und Unterkünfte im Dachgeschoss einrichten, falls wir hier ausländische Projekte durchführen. Und wir bereiten auch eine Wohnung für Menschen vor, die in soziale Not geraten. Vielleicht, damit eine Familie im Falle einer Krise nicht in einer Herberge unter schlechten Bedingungen landet. Sie könnten vorübergehend bei uns bleiben. Das Sozialamt der Stadt arbeitet mit uns an diesem Plan. Das Atelier wird ein halböffentlicher Raum bleiben. Zurzeit ist es eine Leihgabe an die Jungs, die auch die Tür repariert haben und es so abschließen können. Aber sie versprachen uns, dass sie ab und zu einen Workshop für Kinder organisieren würden, was eine Bedingung für die Untervermietung in der Villa war — um sie in das Gemeinschaftsleben einzubinden. Wir haben es so eingerichtet, dass die Leute es umsonst haben, aber Aktivitäten einbringen müssen, sodass Leute, die kein Geld haben, ihre Zeit einbringen und sich beteiligen können. Und es gibt noch viel freien Raum, wo wir noch nicht wissen, was passieren wird. Die Jungs wollen ein Fitnessstudio, also werden wir es wohl machen. Eine andere Idee ist vielleicht ein Tonstudio oder ein Raum für Konzerte und Vorträge. Aber es wird viel davon abhängen, wie viel Geld wir aufbringen können und was die Leute wollen.

Sie scheinen die Menschen vor Ort sehr gut einbinden zu können...

Wenn ich durch die Siedlung gehe, wissen die Leute schon, wo ich hingehöre. Das ist wichtig. Wir erklären ihnen auch, dass wir keine Wohltätigkeitsorganisation sind. Einmal kam eine Frau zu mir und fragte: „Was geben Sie uns?“ Und ich sagte: „Was geben Sie mir denn? Warum sollte ich Ihnen etwas geben?“ Ich wunderte mich darüber. Bei uns funktioniert das so nicht, und vielleicht unterscheiden wir uns dadurch von dem, was manche Leute gewohnt sind. Aber für manche Menschen könnte dieser Ansatz interessant sein. Ich habe den Eindruck, dass sie nur zwei Extreme kennen: Entweder sie bekommen alles umsonst und akzeptieren die Rolle des armen Opfers, oder man sagt ihnen, sie sollen zur Hölle fahren und wollen nichts mit ihnen zu tun haben. Sie kennen keinen wirklichen Mittelweg: „Ja, komm zu uns, aber das heißt nicht, dass du nur hierherkommst, um Sozialhilfe zu kassieren.“ Ich bin in dieser Hinsicht ein bisschen behaftet — Sie wissen schon, ein ausgebrannter Sozialarbeiter.

Ohne die dortigen Kinder ginge es nicht.

Die Villa Carola hat sicher auch eine reiche Geschichte, nicht nur die Gegenwart...

Wir wissen noch nicht viel über die Geschichte des Hauses. Wir würden gerne eine Chronik von Carola erstellen, aber leider haben wir dafür noch nicht die Kapazitäten. Ich hoffe, dass wir das schaffen, noch bevor die letzten Zeitzeugen sterben. Wir wissen, dass die Villa um 1900 gebaut wurde, wahrscheinlich für einen Besitzer, der im Kohlebergbau tätig war. Wir wissen auch, dass es früher ein Genesungsheim, ein Archiv, eine Einrichtung für geistig behinderte Frauen war — meine Mutter arbeitete damals dort und meine frühesten Erinnerungen stammen aus dieser Zeit. Dann wurde das Haus verkauft und in ein Gasthaus umgewandelt. Dort gab es auch einen Verein Carola. Es scheint, dass die Villa soziales Engagement irgendwie anzieht. Eine Zeit lang gab es dort auch Sozialwohnungen, dann ging sie in Privatbesitz über und verfiel schließlich.

Wie hat die Stadt die Situation gehandhabt?

Hat sie etwas unternommen, um die Villa zu retten? Die Stadt hat genug eigene Probleme und eine Menge leerstehender Häuser, die sie nicht bewältigen kann. Es passierte auch, dass wir das an Carola angrenzende Land von der Stadt kaufen wollten, zu günstigen Bedingungen, oder es zumindest für eine symbolische Krone pachten wollten. Die Stadt wollte das nicht, obwohl sie damit nichts riskieren würde. Es ist manchmal eine seltsame Art der Zusammenarbeit. In dem Park auf dem Dach des Supermarktes, von dem ich sprach, haben wir zum Beispiel einen Mülleimer aufgestellt. Und wir mussten ihn selbst leeren, obwohl die technischen Dienste der Stadt sowieso daran vorbeifuhren, aber es war ein großes Problem... Das ist ein Beispiel dafür, wie unsere Stadt funktioniert. Leider. Das ist das größte Problem — niemand sollte sich mit solchen Kleinigkeiten aufhalten müssen, es sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Im Laufe der Zeit kamen wir an den Punkt, an dem der Mülleimer nun von den technischen Diensten der Stadt geleert wird, aber es dauerte Stunden, das zu verhandeln. Ich glaube nicht, dass das normal ist. Wir sollten uns um andere Probleme kümmern als um die Entleerung eines Mülleimers.

Hat sich die Situation irgendwie geändert, als Sie in den Stadtrat kamen?

Die Situation hat sich nicht wesentlich verbessert, als wir in den Stadtrat kamen. Solange wir „nur“ eine Bürgerinitiative waren, stellten wir keine politische Konkurrenz und Gefahr für die Stadt dar — unsere Verhandlungsposition war in vielerlei Hinsicht besser. Als wir 2014 mit der Stadt über den Mietvertrag für die ehemalige Poliklinik verhandelten und nach einem Jahr die Absage erhielten, sagten wir uns, dass die Stadt so nicht arbeiten kann. Das war der Moment, in dem wir beschlossen, in die Politik zu gehen. Im Jahr 2018 waren wir bei den Wahlen erfolgreich, und plötzlich wurden wir zu ihrer Konkurrenz. Deshalb wollen sie uns nicht mehr so sehr unterstütz-en. Sie wollen unseren Erfolg nicht, weil er ihnen potenzielle Wähler wegnimmt. Unser politisches Engagement hilft uns also nicht, ganz im Gegenteil.

Park auf dem Supermarktdach.

Hat sich Ihnen im Laufe der Jahre jemand angeschlossen?

Für mich persönlich ist die Beziehung zum AJZ Chemnitz [Alternatives Jugendzentrum e.V.] sehr wichtig, sie sind meine Inspiration aus dem Ausland. Dank ihrer Veranstaltungen habe ich Freunde in der ganzen Welt gefunden. Außerdem erhalten wir von ihnen wichtiges Know-how. Zum Beispiel die Trockentoiletten, die natürliche Filterung und Wurzelreinigung nutzen und so Wasser filtern. So kann man feste Abfälle zum Beispiel sofort zum Düngen von Pflanzen verwenden, was großartig ist. Auch in der Stadt haben wir eine Menge Unterstützer! Manchmal ist es eher eine spontane Sache, zum Beispiel eine vorübergehende Aushilfe. Dafür bin ich sehr dankbar, denn wenn es nur an uns, den Mitgliedern des Verbandes, läge, wäre es sehr anstrengend und erschöpfend. Es braucht nur zehn oder zwölf Leute, die zusammenkommen, um so viel Arbeit zu erledigen! Das ist extrem dynamisch. Und am Abend am Lagerfeuer sind wir müde, aber glücklich. Also ja: Wir haben Unterstützer, und die gehen sogar über die Stadtgrenzen hinaus, sie kommen von überall her.
Ein großes Defizit besteht darin, dass die Geschichte der Roma überhaupt nicht unterrichtet wird

Gibt es für Sie auch etwas Spirituelles, das für Sie selbst wichtig ist und sich in Ihrer Arbeit widerspiegelt?

Nachhaltigkeit und Umwelt sind definitiv unser Thema. Für mich denke ich, dass „etwas“ zwischen Himmel und Erde existieren muss. Aber das engere Prinzip ist für mich die irdische Nachhaltigkeit. Kinder sollen wissen, dass Tomaten nicht in Plastikverpackungen im Supermarkt wachsen. Letztes Jahr waren wir im Gemeinschaftsgarten in Schönpriesen, und als wir durch den Garten gingen, sah ich einige Roma-Kinder. Wir luden sie ein, und sie sahen Zucchini und sagten: „Aaah, das sind Bananen, gell?“ Es ist wichtig, dass Kinder wissen, woher ihr Essen kommt. Dieses Problem betrifft nicht nur Roma-Kinder, sondern alle Menschen im Allgemeinen. Wir sind so aus unserer Umwelt gerissen... Deshalb wollen wir den Menschen zeigen, wie Gemüse wächst, aber auch, warum sie ihren Müll nicht auf den Boden werfen sollten und warum es gut ist, Abfall zu trennen. Das sind meine Themen, und ich möchte diesen Weg weiterverfolgen.

Wann haben Sie angefangen, mit Minderheiten zu arbeiten?

Es klingt, als gäbe es in Ihrer Nachbarschaft nicht viele Menschen, die bereit sind, mit Roma zu arbeiten... Ich glaube, wir sind in einer sehr rassistischen Gesellschaft aufgewachsen. Zum Beispiel hat man früher gesagt: „Hier geht‘s zu wie bei den Zigeunern“ und ähnliche, scheinbar unschuldige Sprüche, aber sie haben uns geprägt. Ich habe aber Situationen erlebt, in denen diese „Weisheiten“ sich als unwahr herausstellten und irgendwie passte das nicht zusammen. In Italien habe ich unter anderem festgestellt, dass die Roma es im Vergleich zu mir nicht so leicht haben — wenn ich mein Haar richtig stylte, sah ich den Italienern ziemlich ähnlich. Roma hingegen werden nie auf den ersten Blick wie „normale Tschechen“ aussehen. Ich habe damals vier Monate in Italien verbracht, wo ich gegen Vorurteile ankämpfen musste, aber die Roma in der Tschechischen Republik kämpfen schon ihr ganzes Leben lang, von Geburt an, dagegen an. Natürlich will ich nicht die Dinge entschuldigen, die manche Roma tun, und ich will schon gar nicht sagen, dass keine Roma kriminell sind. Gleichzeitig muss man aber auch sagen, dass wir sie zu diesem Verhalten hinführen... Ich habe in meinem Leben auch viele großartige Roma kennengelernt, und darüber bin ich sehr froh. Es stört mich furchtbar, wenn jemand seinem Frust Luft macht und so einen Unfug wie „Zigeuner ins Gas schicken“ schreit. Das ist absolut falsch, ich denke, solches Verhalten sollte es in einer modernen Gesellschaft nicht mehr geben. Für mich ist das absolut inakzeptabel. Zufällig hörte ich vor kurzem einen sehr interessanten Vortrag des Museums für Roma-Kultur in Brünn, und mir wurde klar, dass ein großes Defizit darin besteht, dass die Geschichte der Roma in den Grundschulen der Tschechischen Republik überhaupt nicht unterrichtet wird. Ich finde, das sollte unbedingt in den Lehrplan aufgenommen werden. Dann wären viele Dinge klarer, wir wären offener und manche Konflikte würden nicht entstehen. Die Gräben zwischen uns wären zumindest ein bisschen kleiner.

Gibt es eine Geschichte, die Ihnen im Laufe Ihrer Arbeit widerfahren ist und die Ihre Sichtweise vielleicht ein wenig verändert hat?

Wir saßen damals mit einem Bekannten, einem Rom, in einer Kneipe, und seine Tochter war dabei. Sie schimpfte damals viel über die Roma und sagte, dass sie wegen der lauten Nachbarn nicht lernen und nicht schlafen könne und müde zur Schule ginge. Da wurde mir klar, dass es keine Rolle spielt, ob man Rom oder Tscheche ist, Anforderungen an die Bildung sind für alle gleich. Dies ist nur eine Geschichte, mit der ich zeigen möchte, dass es auch andere Perspektiven auf Johnsdorf gibt. Ich finde es zum Beispiel traurig, dass, wenn ich mit jungen Menschen spreche, mit Roma, sie nur ein Ziel haben: Johnsdorf zu verlassen. Einige haben es schon abgeschrieben für sich, sie sehen hier keine Zukunft und wollen weg. Auch wenn sie hier Freunde haben! Sie sehen es nicht als einen Ort, an dem sie leben wollen. Das tut mir wirklich leid, aber gleichzeitig verstehe ich sie auch sehr gut. Es ist ein Gebiet, das in Bezug auf den öffentlichen Raum völlig vernachlässigt wird.

Wenn wir über das Zusammenleben von Tschechen und Roma und den Zustrom von Menschen in das Grenzgebiet sprechen, kommen wir nicht um die deutsch--tschechische Frage herum. Hatten Sie auch schon einmal damit zu tun?

So wie die neuere Geschichte nach 1989 lange Zeit nicht gelehrt wurde, haben wir auch nichts darüber gelernt, was nach dem Zweiten Weltkrieg geschah. Man hat uns in der Schule irgendwie vergessen zu sagen, dass die Tschechen nicht immer nett zu den Deutschen waren. Oder wie unsere Beziehungen in die Brüche gegangen sind und welch große Lücke das hinterlassen hat. Das Sudetenland ist dadurch ein wenig verflucht. Es ist ein Fluch, aber es ist auch ein Geschenk! Es kommt darauf an, aus welcher Perspektive man es betrachtet. Natürlich war es eine Tragödie für die Menschen, die zwangsumgesiedelt wurden. Das ist eine Gruppe von Menschen, die wir jetzt hier vermissen, und obendrein ist eine lange Tradition gebrochen worden. Aber es ist auch traurig für diejenigen, die während der Zeit des Kohlebergbaus gehen mussten. Was in den dreißig Jahren nach dem Krieg aufgebaut wurde, wurde wieder eingerissen... In der Nähe von Carola gab es zum Beispiel einmal ein Haus, wo jetzt ein Plattenbau steht. Ein Mann, der in diesem Haus aufgewachsen war, erzählte mir, wie ihr Haus für den Bau der Wohnsiedlung Johnsdorf abgerissen wurde und ihr Aprikosenbaum gefällt wurde. Für ihn symbolisiert der Baum seine Kindheit. Er sagte damals, dass er nie wieder hierher zurückkommen würde. Ich habe ihn über Freunde ausfindig gemacht und hoffe, dass ich ihn zur Carola einladen kann. Ich habe ihm versprochen, dass wir für ihn einen Aprikosenbaum pflanzen würden, wenn er wiederkommt, damit er einen guten Grund hat, wiederzukommen. Solche Geschichten sind wie „Narben“ auf dem Land.

Wie wird die Region um Ober Leutensdorf Ihrer Meinung nach in fünfzig Jahren aussehen?

Was würden Sie sich in dieser Hinsicht wünschen? Ich denke, dass der natürliche Reichtum endlich gewürdigt werden wird. Wir haben Süßwasserreserven, Buchenwälder, das Erzgebirge, das hoffentlich bald zum Naturschutzgebiet wird. Ich hoffe, dass sie erhalten bleiben und nicht von Bergbauunternehmen ausgebeutet werden! Und es sollte definitiv weniger Schwerindustrie geben, die die Landschaft verwüstet. Wir werden sie wahrscheinlich nicht ganz loswerden, aber sie sollte in größerer Harmonie mit ihrer Umgebung funktionieren. Idealerweise sollte die Region auch zu ihrer Geschichte und Tradition des Obstanbaus und der Obstproduktion zurückkehren. Vielleicht werden die Menschen verstehen, dass es andere, dauerhaftere Werte als Geld gibt... Das wäre ein großer, gesellschaftsweiter Wandel! Unsere Villa Carola war früher ein Genesungsheim für Menschen mit Atemwegserkrankungen, was heute ein großes Paradox ist, aber wir haben definitiv etwas, worauf wir aufbauen können. Ich glaube, dass diese Region großes Potenzial hat! Sie hat sicherlich eine dunkle Zeit hinter sich, aber die wird enden — wie alles Schlechte — und wir schauen in eine hellere Zukunft!

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(This is an automatic translation by Google Translator.)

Quelle: Mitten am Rande, Antikomplex, Prag, 2022, ISBN 978-80-906198-5-2

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