Wochenrückblick Nr. 42
09.08.2024
Bestechungsaffäre erschüttert Nordböhmen
Die tschechische Polizei ermittelt gegen 14 Verdächtige, die unter dem Verdacht stehen, öffentliche Aufträge manipuliert zu haben. Außerdem ermittelt die Polizei gegen fünf Firmen. Drei der 14 Verdächtigen wurden nach einer Entscheidung des Kreisgerichts in Chomutov in Untersuchungshaft genommen. Darunter ist auch der Oberbürgermeister von Chomutov, Marek Hrabáč. Hrabáč ist allerdings nicht nur OB, sondern war auch Spitzenkandidat der Partei ANO für die im Oktober stattfindenden Bezirkswahlen. ANO hatte sich ohne Not gegen den amtierenden Bezirkshauptmann Jan Schiller (ebenfalls ANO) und für Hrabáč entschieden. Hrabáč wurde bereits von der Kandidatenliste gestrichen. Die Entscheidung über einen neuen Spitzenkandidaten ist noch nicht gefallen. Schiller tritt für ANO in den parallel stattfindenden Senatswahlen an. In der aktuellen, von Schiller geführten Bezirksregierung ist Hrabáč Bezirksrat für Verkehr. Seine Agenda übernahm vorübergehend Finanzbezirksrat Jan Růžička.
Bisher liegen erst wenig offizielle Informationen zu den Manipulationsvorwürfen vor. Es soll um Bauaufträge gehen, da nun gegen Baufirmen ermittelt wird. Außerdem wurde auch der Direktor der Bezirksstraßenverwaltung Libor Tačner in Haft genommen.
Gegen Hrabáč wird unter anderem wegen Amtsmissbrauch, Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung ermittelt. Zu den weiteren Personen, gegen die die Polizei ermittelt, gehören der Chef der Stadtpolizei von Chomutov und die Direktorin des Zoos von Chomutov. Unter den Verdächtigen ist auch ein Stadtrat von Karlovy Vary.
Für die Partei ANO, die vom früheren Premierminister und einem der reichsten Tschechen Andrej Babiš geführt wird, kommt der Skandal zur Unzeit. Mehrere von Medien befragte Politikanalysten gehen allerdings nicht davon aus, dass sich die Affäre negativ auf das Wahlergebnis auswirken wird. Zumindest die Stammwähler von ANO würden jede Person wählen, die für ANO als Spitzenkandidat aufgestellt wird, egal um wen es sich handelt. Der Bezirk Ústí gehört seit langem zu den Hochburgen von ANO.
Kohlekraftwerk verliert Ausnahmegenehmigung
Das tschechische Kohlekraftwerk Počerady stößt zu hohe Quecksilberwerte aus, weshalb tschechische Umweltorganisationen seit Jahren seine Schließung fordern. Das Bezirksgericht in Ústí nad Labem hat nun einer Klage der Anwaltskanzlei Frank Bold in Namen mehrerer Umweltorganisationen stattgegeben und eine entsprechende Ausnahmegenehmigung aufgehoben. Demnach seien die in der Genehmigung zugelassenen Werte zu hoch. Laut Frank Bold muss das Kraftwerk nun abgeschaltet werden.
Das Kraftwerk in Počerady südöstlich von Most gehört zu den größten Emittenten von Schadstoffen in Tschechien. Der staatliche Energiekonzern ČEZ hatte es einst verkauft, da sich Investitionen in Umweltschutz nicht mehr lohnten. Der Braunkohlemagnat Pavel Tykač griff mit seiner Firma Sev.en zu. Die betreibt Kohletagebaue rund um Most, von denen eine direkte Eisenbahntrasse ins Kraftwerk führt. Zwischenzeitlich erließ die Europäische Union strengere Umweltnormen. Seitdem betreibt Sev.en das Kraftwerk nur noch mit Ausnahmegenehmigungen. Die Firma hatte bereits eine Verlängerung bis April 2027 beantragt. Jetzt könnte es tatsächlich zur Schließung kommen.
Das liegt nicht nur an der fehlenden Genehmigung, sondern auch am bevorstehenden Ende der Kohleförderung im Tagebau ČSA bei Horní Jířetín, zu dem es noch in diesem Jahr kommen soll. Danach betreibt Sev.en nur noch den Tagebau Vršany westlich von Most, der bis zum Kohleausstieg Tschechiens in den 2030er Jahren betrieben werden soll.
Das Kraftwerk hat fünf Blöcke mit einer installierten Leistung von jeweils 200 MW. Nach einer Abschaltung droht trotzdem kein Strommangel, da Tschechien seit Inbetriebnahme des Kernkraftwerks Temelín einen üppigen Überschuss an Elektroenergie produziert. Zwar ist der Energieverbrauch seitdem gestiegen, doch vor allem in den letzten fünf Jahren wurden in Tschechien massiv Kapazitäten auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien aufgebaut, vor allem im Bereich der Fotovoltaik.
Freude über Falkennachwuchs
Im Nationalpark Böhmische Schweiz und dem Landschaftsschutzgebiet Elbsandsteingebirge haben Wanderfalken in diesem Jahr 20 Junge aufgezogen. Laut Nationalparkverwaltung waren das zwei mehr als im letzten Jahr. Außerdem stellte die Verwaltung sieben Junge bei den ebenfalls streng geschützten Schwarzstörchen fest. Um eine ungestörte Aufzucht zu sichern, galt bis Ende Juli ein Verbot, die Brutgebiete zu betreten.
Einen Teil des Nachwuchses konnten Mitarbeiter des Nationalparks beringen. Für die Naturschützer bringt das wertvolle Informationen. So beobachteten sie in diesem Jahr bei Ostrov eine Falkenmutter, die in Hamr na Jezeře bei Česká Lípa geschlüpft war. Ihre Mutter wiederum kam 2005 in den Affensteinen in der Sächsischen Schweiz zur Welt. In diesem Jahr wurde der Nationalpark auf einen Schwarzstorch aufmerksam gemacht, der im Senegal, 90 Kilometer südöstlich von Dakar, beobachtet wurde und dessen Beringung auf seine Herkunft aus dem Elbsandsteingebirge hinwies.
Algen in Badeseen
Das Bezirkshygieneamt in Ústí nad Labem hat auf eine verschlechterte Qualität dreier Badeseen hingewiesen. Demnach habe das Vorkommen von Grünalgen im See Chmelář bei Úštěk, Matylda bei Most und im See in Varvažov zugenommen und die Wasserklarheit abgenommen. Baden sei weiterhin möglich, für Kinder, Schwangere und Menschen mit Allergien oder geschwächter Immunität aber nicht empfohlen.
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