Wochenrückblick Nr. 56
15.11.2024
Gemeinden klagen gegen Neubaustrecke Prag-Dresden
Es war ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur Neubaustrecke für die Eisenbahn von Dresden nach Prag. Im Juni hatte das Bezirksparlament in Ústí nad Labem dem modifizierten Regionalplan und damit dem geplanten Streckenverlauf auf dem Gebiet des Bezirkes Ústí zugestimmt. Damit war ein langwieriger Prozess an sein vorläufiges Ende gekommen. Doch die Kritiker sind nicht verstummt. Zwei Gemeinden haben jetzt beim Bezirksgericht in Ústí Klage gegen die Entscheidung des Parlaments eingereicht. Dabei handelt es sich um die Kleinstadt Chlumec am Fuße des Erzgebirges sowie um das Dorf Hrobce an der Südseite des Böhmischen Mittelgebirges. Beide Gemeinden liegen jeweils am Endpunkt eines geplanten Tunnels. Chlumec am Ende des Erzgebirgstunnels und Hrobce am geplanten Ausgang des Tunnels durch das Böhmische Mittelgebirge.
Kern der Klage ist die Kritik an der Auswahl des Streckenverlaufs. „Auf unserem Gemeindegebiet wurden keine weiteren Varianten geprüft, nur die eine, bei der die Röhre des Tunnels genau zwischen unseren beiden Ortsteilen Chlumec und Stradov wieder an die Oberfläche kommt“, sagt die Bürgermeisterin von Chlumec Veronika Srnková. Im Fall von Hrobce standen zwar drei Varianten zur Disposition. Doch zwei hätte es nur zum Schein gegeben, weil sie von Beginn an vom Verteidigungsministerium abgelehnt wurden, so die Bürgermeisterin von Hrobce, Kateřina Hlaváčková. Beide Gemeinden machen sich aber auch Sorgen über die Umweltauswirkungen und befürchten im Zusammenhang mit der Neubaustrecke eine höhere Staub- und Lärmbelastung. Hier sei bei der öffentlichen Anhörung für die Änderung des Regionalplans nicht mit realen Werten operiert worden. „Die erwartete Lärmbelastung wurde nur auf Basis von Personenverkehr ermittelt und nicht auch für den Güterverkehr“, kritisiert Bürgermeisterin Srnková.
Noch ist nicht klar, welche Auswirkungen die Klage auf den Zeitplan haben wird. Der Investor, die staatliche Eisenbahnverwaltung Správa železnic (SŽ), bereitet das Vorhaben weiter auf der Basis des modifizierten Regionalplans vor. Doch die Zeit drängt. Verkehrsminister Martin Kupka hatte nach jahrelangem Ringen um die Strecke eine Entscheidung noch in diesem Jahr gefordert, um mit der deutschen Seite Schritt zu halten. Sollte das Bezirksgericht den Parlamentsbeschluss allerdings kippen, wäre der weitere Zeitplan in Gefahr.
Správa železnic plant die ersten Bauarbeiten in drei Jahren an dem Teilstück Prag-Lovosice. Das soll 2030 und damit als erstes fertig sein. Die Inbetriebnahme des Abschnitts durch das Erzgebirge ist frühestens für 2038 vorgesehen.
Bezirk Ústí hat neue Führung
Das Bezirksparlament von Ústí hat auf seiner konstituierenden Sitzung am Freitag eine neue Führung gewählt. Neuer Bezirkshauptmann ist der frühere Umweltminister Richard Brabec (ANO). Die Partei ANO hatte die Bezirkswahlen im September klar gewonnen. Für eine Mehrheit brauchte sie jedoch Koalitionspartner. Die nächsten vier Jahre regiert sie wie bisher mit der ODS. Als neuer dritter Partner kam die Liste Lepší Sever hinzu. Alle drei Parteien verfügen im Parlament über eine Mehrheit von 37 zu 18 Stimmen.
Ticket-App der Region Ústí nun auf Deutsch
Die Anwendung „DÚKapka“ ist eine App zum Erwerb von Tickets für den Nahverkehr im gesamten Bezirk Ústí. Drei Jahre nach ihrer Einführung liegt die Anwendung nun auch in deutscher Sprache vor. Ausflügler können damit Fahrkarten für den Nahverkehr in der Böhmischen Schweiz, dem Böhmischen Mittelgebirge oder dem Erzgebirge erwerben – darunter auch Tagestickets oder Gruppenfahrkarten.
Für die meisten Tagestouristen ist zwar das Elbe-Labe-Ticket die erste Wahl, das im gesamten Raum des Verkehrsverbunds VVO und im Bezirk Ústí für einen ganzen Tag bis 4 Uhr am Folgetag gilt. Doch gelegentlich lohnt auch ein Kauf einzelner Fahrkarten, wenn man zum Beispiel ein Deutschlandticket besitzt oder nur Ziele in Grenznähe erreicht werden sollen ohne folgende Rückfahrt. Auch im tschechischen Inland können jetzt problemlos Tickets erworben werden. Das war im Prinzip schon bisher möglich, aber eben nur auf Tschechisch.
Der Bezirk Ústi erstreckt sich von Klášterec nad Ohří im Nordwesten bis Varnsdorf und Rumburk im Schluckenauer Zipfel. Im Süden reicht das Ticket bis Hněvice bzw. in einigen Fällen sogar noch über die Tarifgrenze hinaus, zum Beispiel nach Mělník in Mittelböhmen.
Wer allerdings einen längeren Aufenthalt in der Böhmischen Schweiz plant, hat mit der App noch einen weiteren Vorteil. Infolge des Waldbrands erhalten Touristen, die mindestens zwei Nächte übernachten, die Netzkarte für den ganzen Bezirk kostenlos dazu, und das für bis zu 7 Tage. Das Angebot gilt übrigens nicht nur für die Böhmische Schweiz im engeren Sinn, sondern für die sogenannte Tourismusregion Böhmische Schweiz, zu der auch der Schluckenauer Zipfel sowie das Elbsandsteingebirge im Elbtal und linkselbisch im Gebiet der Tissaer Wände und des Děčínský Sněžník (Hoher Schneeberg) gehören.
Außerdem bereitet der Bezirk Ústí immer wieder Vorteilsangebote für die App vor. So durfte, wer die App installiert hatte, im September zum Internationalen autofreien Tag das Tagesnetzticket kostenlos laden.
Neuer Parteichef bei Piraten mit neuer Richtung
Die Piraten haben den ehemaligen Prager Oberbürgermeister Zdeněk Hřib zu ihrem neuen Vorsitzenden gewählt. Die Neuwahl war nötig geworden, weil der langjährige Vorsitzende Ivan Bartoš nach der deutlichen Niederlage bei den Regional- und Senatswahlen im Herbst sein Amt zu Verfügung gestellt hatte. Bartoš wurde danach überdies von Premierminister Petr Fiala als Regionalminister entlassen, was den Rücktritt auch der übrigen Piraten-Minister zur Folge hatte. Nur Außenminister Jan Lipavský blieb im Amt und trat aus der Piratenpartei aus.
Hřib versprach einen neuen Kurs. Er wolle dafür sorgen, dass die Piraten geeint auftreten und sich weniger in Kulturkämpfen und Genderfragen verlieren. Das kann als Absage an den eher progressiven Kurs der bisherigen Parteiführung verstanden werden. Gleichzeitig plant Hřib, Entscheidungsprozesse innerhalb der Partei hin zu mehr Befugnissen für den Vorsitzenden und den Vorstand zu verändern. Bisher ist die Piratenpartei sehr stark basisdemokratisch ausgerichtet. Wer zum Beispiel auf Kandidatenlisten kommen möchte, braucht 60 Prozent Zustimmung.
Bereits in den letzten Wochen waren einige Parteimitglieder ausgetreten, nach dem Wahlparteitag folgten weitere, die vor allem den linken Spektrum zuzurechnen sind, dem auch Hřibs Gegenkandidat Lukáš Wagenknecht angehört. Zu den bekannteren Austritten ist der des ehemaligen EU-Abgeordneten Marcel Kolaja zu zählen.
Die Situation für die Piraten ist ernst. Umfragen zufolge wollten im Oktober nur noch 6,5 Prozent der Wahlberechtigten für die Piraten stimmen. Ob der neue Vorsitzende die Stimmung drehen kann, ist offen. Sein Wahlsieg gegen Wagenknecht war denkbar knapp.
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