Euroregion Elbe/Labe

Ausstellung "Wir sind hier nicht allein" (2020)

In Verbindung mit den 22. Tschechisch-Deutschen Kulturtagen wird im Herbst 2020 in Dresden, Dippoldiswalde, Sebnitz, Ústí nad Labem und Litoměřice eine Ausstellung zu nationalen Minderheiten in Tschechien gezeigt. Die folgenden 12 Persönlichkeiten wurden dabei auf großen Tafeln und in kurzen Videos portraitiert.

Die Ausstellung wurde vom Prager Verein Post Bellum o.p.s. gestaltet, der das Zeitzeugenarchiv Pamět Národa betreut. Die unten stehenden Texte und Bilder waren Teil der Ausstellung. Die Links unter den Portraits der einzelnen Personen führen Sie ins Zeitzeugenarchiv Pamět Národa. wo Sie weitere Informationen über die Biografien, Bilder und Videos finden.

Eugenie Číhalová (Djukovová, *1944)

Eugenie Číhalová (© Post Bellum)
Eugenie Číhalová (© Post Bellum)

Sie gehört zu den Nachfahren der Anfang des 20. Jahrhunderts aus dem ehemaligen Russischen Reich in die Tschechoslowakei gekommenen Emigranten. Ihr Vater Jevgenij Feofilovič Djukov, Offizier in der Weißen Armee, studierte dank der sog. Russischen Hilfsaktion des jungen tschechoslowakischen Staates in Prag Medizin. Nach dem Studium richtete er sich eine Praxis in Smíchov ein und lernte Erika Kaprasová kennen, die in Radlice (Radlitz) als Hilfskraft bei einer Hebamme arbeitete. Nach der Hochzeit arbeiteten sie zusammen und bald kam Eugenie auf dieWelt und ein Jahr später ihr Bruder Vladimír. Nach dem Krieg entkam der Vater der Verschleppung in sowjetische Gefangenschaft nur um ein Haar.

Eugenie machte eine Lehre zur Krankenschwester und nach zwei Jahren im Krankenhaus unterm Laurenziberg in Prag konnte sie mit ihrem Medizinstudium an der Karlsuniversität beginnen. Das war während der sich lockernden Atmosphäre der Sechzigerjahre, die mit dem Einmarsch der Sowjetischen Armee im August 1968 endete. Eugenie schloss sich den Protestaktionen an und reiste mit ihrem Freund Jiří nach Jugoslawien, wo sie 1969 in der Botschaft in Zagreb heirateten. Sie entschieden sich für die Rückkehr nach Prag, obwohl Eugenie ihr Studium nicht fortsetzen durfte. Auf Empfehlung von Herrn MUDr. František Kriegel fand sie eine Arbeitsstelle als Laborantin und später Fachassistentin im Institut für Klinische und Experimentelle Chirurgie auf dem Klinikgelände des Thomayerischen Krankenhauses. Später wurde es das Institut für Klinische und Experimentelle Medizin, wo Eugenie bis heute arbeitet.

Für sie symbolisieren die Fotos von Präsident Masaryk und ihrem Vater die Tschechische Republik, denn beiden ist sie dafür dankbar, dass sie hier lebt. „Ich bin dem Präsidenten Masaryk dafür dankbar, dass dank seiner Russischen Hilfsaktion die Tschechoslowakei Auswanderer aus dem Russischen Reich, die vor dem Bolschewismus flüchteten, aufnahm. Mein Vater gehörte zu ihnen.“

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Le Quang Dao (*1965)

(© Post Bellum)
(© Post Bellum)

In die Tschechoslowakei kam er 1984 als Student. Die Sozialistische Partei Vietnams hatte ihn geschickt, damit er im Rahmen der Zusammenarbeit der sozialistischen Länder zum Maschinenschlosser ausgebildet und nach seiner Rückkehr sein Wissen weitergeben würde. Le Quang Dao stammt aus einem kleinen Dorf nördlich von Hanoi.

Seine Familie durchlebte die langen Kriegsjahre in Armut - die Zeit des Zweiten Weltkriegs, als Japan aus seinem Land Lebensmittel abtransportierte, den Kampf um die Unabhängigkeit von Frankreich und den langwierigen Krieg mit den USA. „Während der Luftangriffe der Amerikaner erlebte ich Furchtbares. Neben unserem Dorf war eine Düngemittelfabrik, die auch beschossen wurde. Wir versteckten uns in der Schule unter den Bänken. Damals starben viele Menschen,“ erinnert er sich. Wegen der katastrophalen Unterversorgung mit Lebensmitteln und der Vergiftung der Gegend durch chemische Mittel verlor seine Mutter sechs Kinder, Le Quang Dao wurde als siebtes geboren.

Dank seiner hervorragenden schulischen Leistungen besuchte er eine Industrieschule, wurde als einer der besten Studenten in das Bildungsprogramm zur Unterstützung Vietnams aufgenommen und reiste in die Tschechoslowakei. Nach sieben Jahren sollte er zurückkehren, hatte sich aber in eine Tschechin verliebt, heiratete 1992 und blieb in Tschechien. Zunächst handelte er mit Textilien und heute betreibt er eine Gaststätte und tritt mit Gitarre als Interpret tschechischer Folklore auf. Für ihn symbolisiert Václav Havel die Tschechische Republik.

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Fedor Gál (*1945)

Fedor Gál (© Post Bellum)
Fedor Gál (© Post Bellum)

Geboren wurde er am Ende des Krieges im Ghetto Terezín (Theresienstadt), wo zu der Zeit seine Mutter und sein älterer Bruder gefangen waren. Die jüdischstämmige Familie besaß ein großes Gut in der Slowakei. Seinen Vater, der im Slowakischen Volksaufstand mitgekämpft hatte, hat Fedor nicht mehr kennengelernt. Nach der Niederschlagung des Aufstands waren die Gáls im Konzentrationslager Sereď (Sereth) interniert. Von dort wurde der Vater nach Sachsenhausen abtransportiert und starb am Ende des
Krieges auf dem Todesmarsch. Die Mutter überlebte mit den kleinen Söhnen den Krieg und kehrte auf das Familiengut zurück, das sie erneut zu bewirtschaften versuchte. 1948 verstaatlichten die Kommunisten jedoch ihren Hof, weshalb sie mit den Kindern nach Bratislava (Pressburg) ging, wo sie bis zum Ruhestand im Altstoffsammellager arbeitete.

Fedor Gál arbeitete als Arbeiter in Chemiefabriken. Er schloss auch ein Studium der Chemie ab,widmete sich später aber hauptsächlich der Soziologie und Prognostik und war in mehreren Forschungsinstituten tätig. Im November 1989 schloss er sich aktiv der Samtenen Revolution in Bratislava an und war Mitbegründer der Politikplattform Verejnosť proti násiliu (Öffentlichkeit gegen Gewalt). Für kurze Zeit war er in der slowakischen Politik tätig.

Nach dem Zerfall der Tschechoslowakei zog er nach Prag, wo er Soziologievorlesungen an der Karlsuniversität hielt. Mit weiteren Gesellschaftern war er bei der Entstehung von TV Nova dabei. Er gründete ebenfalls den Verlag G plus G, der vor allem Bücher zu den Themen Minderheiten, Andersartigkeiten und Ereignissen des Holocausts herausgibt. Im letzten Jahrzehnt befasst er sich mit Dokumentaraufnahmen, drehte vier lange Filme und zwölf kurze dokumentarische Filmessays. In der Tschechischen Republik sucht er kleine Kulturenklaven wie die Kneipe U vystřelenýho oka (Beim Ausgeschossenen Auge) im Prager Stadtteil Žižkov (Zischkaberg) auf.

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Vjačeslav Iljašenko (*1959)

Vjačeslav Iljašenko (© Post Bellum)
Vjačeslav Iljašenko (© Post Bellum)

Aus Abenteuerlust kam er in die Tschechoslowakei. Er wollte wissen, wie es ist im Ausland zu leben. Vjačeslav wuchs in Kiew auf und ging um Graphik zu studieren nach Lviv (Lemberg). Lviv war für ihn Europa im Sowjetbund. Nach dem Studium wurde er Graphiker in einem Verlag, der kommunistisch-ideologische Propagandaliteratur herausgab. Nach zwei Jahren begann er sich deshalb eigenen Werken zu widmen und gab gleichzeitig in Kiew Kunstunterricht.

1986 erlebte er den Unfall im Atomkraftwerk in Tschernobyl. Er konnte sich niemals damit abfinden, dass die sowjetischen Ämter damals die Katastrophe verschwiegen und die Bewohner nicht vor dem Aufenthalt im Freien warnten. „Die Explosion war am 26. April und noch am 5. Mai wusste niemand was davon. Die Kinder waren in der schlimmsten Phase draußen, nahmen an Aktionen teil, bei denen sie die Bürgersteige bemalten, obwohl sie zuhause sein sollten,“ erinnert sich Vjačeslav. Später verstarben einige aus seinem Bekanntenkreis an den Folgen der Verstrahlung.

Im November 1989 verfolgte er mit Begeisterung die Wende in der Tschechoslowakei. 1992 entschieden seine Frau, die tschechische Vorfahren hatte, und er, die Möglichkeit zur Umsiedlung in die Tschechoslowakei im Rahmen der Repatrisierung von Tschechen aus Wolhynien zu nutzen. Sie ließen sich in Police nad Metují (Politz an der Mettau) nieder, weil sie gehört hatten, dass die Gegend um Náchod sehr schön sei. Sie bereuten es niemals. Vjačeslav arbeitete als Designer und leitete Kunstkurse für Kinder. Er ist der Autor einer Reihe von Bildern in Kirchengebäuden in Ostböhmen. Heute gibt er Kunstkurse in seinem eigenen Atelier. Gleichzeitig organisiert er Programme für Touristen.

An der Tschechischen Republik schätzt er die Offenheit und die Verbundenheit mit den anderen Staaten Europas, die für ihn die Weinrebe symbolisiert.

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Ida Kelarová (Bittová, *1956)

Ida Kelarová (© Post Bellum)
Ida Kelarová (© Post Bellum)

Ihre Romazugehörigkeit entdeckte sie durch die Musik, an die sie ihr Vater Koloman Bitto heranführte, ein vielseitiger Musiker. Seine Domäne war der Kontrabass, aber er beherrschte mehrere Instrumente bravourös. „Mein Vater und seine ganze Familie verleugneten bis in die Tiefe ihrer Seele, dass sie Roma seien. Bei ihnen war das ein riesiges Tabu,“ erzählt Ida Kelarová.

Sie wurde in Bruntál (Freudenthal) in eine binationale Ehe geboren—die Mutter kam aus einer slowakischen Familie aus Uherský Brod (Ungarisch Brod) und
der Vater aus einer Romafamilie aus Horné Saliby in der Südslowakei. Die Familie zog aufgrund der Engagements des Vater wiederholt um. Ida wuchs in Vrbno pod Pradědem (Würbenthal), Prešov (Eperies) und Opava (Troppau) auf und studierte dann in Brno (Brünn) am Janáček-Konservatorium Klavierspiel und Violoncello. Nach dem Studienabschluss an der JAMU begann sie 1975 im Brünner Theater Divadlo Husa na provázku zu spielen. Dort entdeckte sie ihre Stimme, als sie im Musical "Ballade für Banditen" ihre jüngere Schwester Iva Bittová vertreten musste.

1982 lernte sie auf einem Theaterfestival in Dänemark ihren zweiten Mann, einen Engländer, kennen, der zur ihr nach Brünn zog. Wegen der ständigen Verfolgung und Überwachung durch die Staatssicherheit (StB) entschieden sie sich, nach Wales zu ziehen, wo sie die traurige Nachricht über den Tod ihres Vaters erreichte. Im Ausland spielte sie danach ihre ersten Solokonzerte mit Roma-Liedern und begann Workshops für Stimme und Gesang durchzuführen.

1995 kehrte sie dauerhaft nach Tschechien zurück und gründete hier die Mezinárodní škola pro lidský hlas (Internationale Schule für die Stimme des Menschen). In den letzten Jahren widmet sie sich Roma-Kindern und -Jugendlichen im Gesangsesemble Čhavorenge, das mit den Liedern ihres Partners Desiderio Dužda auftritt. Sie war die erste aus der Familie, die mit dem Tabu der Romaabstammung brach.

Das Tschechischsein symbolisiert für sie der Lindenbaum, der ihn ihrem Garten wächst.

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Eleni Mikušová (Stambolidu, *1938)

Eleni Mikušová (© Post Bellum)
Eleni Mikušová (© Post Bellum)

In die Tschechoslowakei kam sie dank des staatlich organisierten Hilfsprogramms für griechische Kinder, die im Bürgerkrieg ihre Eltern verloren hatten. Der Vater Moisis Stambolidis hatte in Griechenland bei den Partisaneneinheiten gekämpft. Die Mutter floh mit ihr und zwei weiteren Geschwistern vor dem Bürgerkrieg nach
Mazedonien, wo sie ein viertes Kind gebar. Anschließend ging sie nach Griechenland zurück, um zu kämpfen und ihren Mann zu finden. Doch sie trafen sich nie mehr wieder.

Eleni und ihre drei Geschwister blieben in Mazedonien verlassen, hungrig und mittellos zurück. Das Sozialamt schickte sie 1949 mit dem Zug in die Tschechoslowakei, wo die Geschwister je zu zweit in unterschiedlichen Kinderheimen untergebracht wurden. Dort verbrachten sie die nächsten fünfzehn Jahre.

1951 kam ihre Mutter in die Tschechoslowakei, ließ sich in Jeseníky (Ostsudetenland) nieder und fand mit Hilfe des Roten Kreuzes ihre vier Kinder. „Weder meine Schwester noch mein Bruder erkannten unsere Mama. Nur ich. Es war sehr bewegend. Wir waren froh, dass wir unsere Mama wieder hatten. Wir weinten alle,“ erinnert sie sich.

Eleni arbeitete im Ostsudetenland in verschiedenen Handwerkerberufen, schweißte Ketten und baute Siedlungen. Sie zog nach Ostrava (Ostrau) um, wo sie Arbeit
als Straßenbahnschaffnerin fand und dabei ihren Mann kennenlernte. Sie bekamen zwei Söhne und die junge Familie eine Wohnung in Havířov. Als Älteste half Eleni ihr ganzes Leben lang ihren jüngeren Geschwistern und ihren Kindern und Enkeln und bemühte sich darum, eine Familie zu bilden, die sie selbst in ihrer Kindheit nicht gekannt hatte.

Die Schule, wo sie Tschechisch gelernt und ihre Bildung erworben hat, symbolisiert für sie die tschechische Kultur.

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Hong Nhung Nechybová (Vi, *1940)

Hong Nhung Nechybová (© Post Bellum)
Hong Nhung Nechybová (© Post Bellum)

In die Tschechoslowakei zog sie zu ihrem Mann, den sie 1958 in Vietnam kennengelernt hatte. Vladimír Nechyba war als Techniker für eine tschechoslowakische Expedition zu geologischen Erforschungen nach Vietnam geflogen und Hong Nhung begrüßte die Expedition als Dolmetscherin auf Französisch. Ein Jahr nach dem ersten Kennenlernen auf dem Flughafen wurden sie ein Paar. Heimlich, denn Mädchen, die mit Europäern zusammen waren, hatten in Vietnam einen schlechten Ruf.

Nach drei Jahren wurde Hong Nhung schwanger, als Vladimír Nechyba gerade in die Tschechoslowakei zurückkehren musste. Sein Plan, die schwangere Hong Nhung mitzunehmen, ging nicht auf, denn sie bekam keinen Pass. Nach seiner Abreise durchlebte sie die schlimmste Zeit ihres Lebens. Aufgrund der Beziehung
mit einemEuropäer wurde sie verachtet, sogar von ihrer eigenen Familie. Es dauerte eineinhalb Jahre, bis sie mit ihrer Tochter Růženka in die Tschechoslowakei ausreisen konnte.

Einen Monat nach der Landung in Prag folgte die Hochzeit in Teplice (Teplitz), die Aufsehen erregte. Zu der Zeit gab es in der Tschechoslowakei lediglich drei gemischte tschechisch-vietnamesische Ehen. Hong Nhung konnte endlich mit dem Aufbau einer Familie und eines Umfeldes beginnen, was für sie nicht einfach war,weil sie kein Tschechisch sprach. Ihr Mann reiste zudem häufig ins Ausland, wo er an geologischen Forschungen teilnahm. Sie hatten mehrmals die Möglichkeit zur Emigration, entschieden sich aber zu bleiben. Über die Anfangsschwierigkeiten und viele Missverständnisse hinweg fand sie Gefallen an tschechischer
Kultur und Humor.

Symbol des Tschechischseins sind für sie die Karls - Karl IV., Karel Schwarzenberg und Karel Gott.

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Klement Neugebauer (*1937)

Klement Neugebauer (© Post Bellum)
Klement Neugebauer (© Post Bellum)

Er stammt aus dem Dorf Neratovice (Bärnwald) im Grenzgebiet, in dem seine Familie seit Generationen unter den schwierigen Bedingungen der Orlické hory (Adlergebirge) wirtschaftete. Aus seiner Kindheit erinnert er sich an einen einzigen Tschechen im Dorf - den Polizisten. Seine Eltern zogen sechs Kinder groß und betrieben wie die Mehrheit der Bewohner der Gemeinde einen kleineren Bauernhof.

In seinem Geburtshaus gab es keine Elektrizität, sie besaßen aber ein kleines Radio, durch das sie von der Annexion des Grenzgebiets im Oktober 1938 und der deutschen Okkupation im März 1939 erfuhren. Der Vater war kein Anhänger Hitlers und sah deshalb dem Ende des Krieges entgegen. Für die Bewohner von Bärnwald war jenes aber tragisch. Nach den Soldaten der Roten Armee, die vergewaltigten und plünderten, kamen die Angehörigen der sog. Revolutionsgarden. Sie folterten die Deutschen schonungslos und richteten einige hin.

Die Bürgschaft eines Bekannten des Vaters schützte die Familie vor der Vertreibung. Sie kehrten in ihr ausgeplündertes Haus zurück und der Vater grub die versteckte Trompete aus, die in der Familie seit Generation weitergegeben wurde. Genau diese Trompete symbolisiert für Herrn Neugebauer seine Kindheit im tschechischen Grenzgebiet: „Ich habe viele Erinnerungen daran,wie mein Vater mir beibrachte, auf ihr zu spielen.“

Klement machte eine Maurerlehre und zog nach Most,wo er eine Familie gründete. Im Fernstudium beendete er in Děčín (Tetschen) erst die Mittelschule und dann die Technische Universität in Prag. Er arbeitete sich zum Bauleiter im Betrieb für Hochbau empor, doch weil er den Eintritt in die Kommunistische Partei der Tschechoslowakei (KSČ) ablehnte,wurde er in den Kulturbereich versetzt. Als Inspektor für Denkmäler und Naturschutz überwachte er die Umsetzung der Kirche Mariä Himmelfahrt in Most. Anschließend zog er mit seiner Familie nach Benešov (Beneschau) um, wo er weiter im Kulturbereich tätig war.

Nach der Samtenen Revolution konnte er seinen Bruder, der sich in Deutschland niedergelassen hatte, wiedersehen.

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Maria Pekařová (*1938)

Maria Pekařová (© Post Bellum)
Maria Pekařová (© Post Bellum)

Am 30.Mai 1945 musste sie ihren Geburtsort Brno (Brünn) verlassen und sich mit der Mutter, Tante, Großmutter und Bruder Karl auf den sog. Brünner Todesmarsch begeben. Sie wurde in die Familie von František und Marie Pekař geboren. Beide Eltern stammten aus Mischehen und bei ihnen wurde damals Deutsch sowie Tschechisch gesprochen. Der Vater arbeitete als Straßenbahnfahrer bei den städtischen Verkehrsbetrieben und die Mutter war gelernte Schneiderin, führte aber den Haushalt. In Brünn wohnten sie im Haus der Schwester Mimi vom Vater, die mit dem Advokaten JUDr. Evžen Popelka verheiratet war.

Während des Todesmarschs nach Österreich spielten die Popelkas für die Familie eine entscheidende Rolle. Maries Mutter ergriff beim Halt des Marsches in Pohořelice (Pohrlitz) die Möglichkeit ihre Kinder zu schützen, indem sie sie der Schwägerin Mimi Popelková zur Adoption übergab. „Mutter unterschrieb, dass sie sich sozusagen von uns lossage, dass sie uns zur Tante schicke und dass die uns im tschechischen Geiste erziehen könne,“ erinnert sich Frau Pekařová. 1948 fand sich die Familie wie durch ein Wunder in Brünn wieder zusammen. Die Mutter bekam als eine von wenigen die offizielle Erlaubnis, in die Tschechoslowakei zurückzukehren; gleiches gelang dem Vater, der von den Sowjets nach Rumänien verschleppt worden war.

Marie konnte nicht studieren, so machte sie eine Schneiderlehre. Sie heiratete und zog mit ihrem Mann für einige Zeit ins Sudetenland. Nach fünf Jahren kehrte die Familie nach Brünn zurück und nach einiger Zeit sogar in ihre ehemalige Wohnung. Marie arbeitete dreißig Jahre lang als Kranführerin und zog zwei Kinder groß.

Die Tschechische Republik symbolisiert für sie Brünn,wo sie mit kurzer Unterbrechung ihr ganzes Leben verbracht hat.

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Věra Roubalová-Kostlánová (Lomská, *1947)

Věra Roubalová-Kostlánová (© Post Bellum)
Věra Roubalová-Kostlánová (© Post Bellum)

„Wir waren eine kleine Familie, ohne Großmütter und Verwandte. Über das Judentum wurde bei uns nicht gesprochen,“ erinnert sich die gebürtige Pragerin, die erst
mit sechzehn Jahren von ihrer Abstammung erfuhr. Vater wie Mutter kamen aus jüdischen Familien und überlebten den Krieg gemeinsam in England.

Beide waren schon vor dem Krieg überzeugte Kommunisten. In den 50er Jahren war der Vater als Parteifunktionär und Jude aus politischen Gründen für sechs Jahre im Gefängnis. Deshalb verbrachte Věra einen Teil ihrer Kindheit in einem Kinderheim. In den 60er Jahren verkehrte sie während des Studiums mit studentischen Aktivisten. Sie protestierte gegen die Invasion 1968, nahm an den Studentenstreiks im Herbst 1968 teil und half bei der Organisation der Beerdigung von Jan Palach.

Mit ihrem Ehemann Pavel Roubal zogen sie vier Kinder groß und unterschrieben die Erklärung Charta 77. In der Folge waren sie der Schikane durch die Staatssicherheit ausgesetzt und wurden zur Ausreise aufgefordert, gaben aber nicht nach. Sie halfen bei der Herstellung und Verbreitung verbotener Bücher, Pavel trat in den Verband zum Schutz nichtrechtmäßig Verfolgter (Výbor na obranu nespravedlivě stihaných) ein und Věra gehörte zu den letzten drei Sprechern der Charta 77.

Heute arbeitet sie als Therapeutin und widmet sich in ihrer Praxis u.a. Leuten mit Traumata durch den Holocaust und ihrer Übertragung auf die nächste Generation. Durch ihre schwere Kindheit in den 50er Jahren ist ihr bewusst, dass es wichtig und eine Verpflichtung ist, Schwächeren zu helfen und sich um
sie kümmern, und so widmet sie sich auch Migranten und Flüchtlingen.

Das Tschechischsein symbolisiert für sie die Sehnsucht nach Demokratie, wie sie sich in der Vergangenheit in der Charta 77 und nun etwa in der Bewegung Milion chvilek pro demokracii (Eine Million Momente für die Demokratie) zeigt.

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Béla Szaló (1951-2018)

Béla Szaló (© Post Bellum)
Béla Szaló (© Post Bellum)

Als er als Student nach Prag kam, sprach er kein Wort Tschechisch und beherrschte selbst Slowakisch nicht sehr gut. Der in der Stadt Nové Zámky (Neuhäusel) in der Südslowakei Geborene sprach zuhause Ungarisch und besuchte ein ungarisches Gymnasium. Obwohl er die ungarische Nationalität besaß, besuchte er Ungarn das erste Mal erst mit zehn Jahren. Reisen war für ihn und seine Familie im Sozialismus nicht einfach.

Teil seines Studiums an der Elekrotechnischen Fakultät ČVUT in Prag war ein intensiver Sprachkurs und er eignete sich Tschechisch zügig an. Trotz des nicht leichten Anfangs fand er am Ende in Prag sein Zuhause. Seine hier verlebten Studentenjahre bezeichnet er als die schönste Zeit seines Lebens. Hier fand er eine Frau und gründete eine Familie.

Die Ehewurde zwar geschieden, doch Béla blieb in Prag. Auch deshalb, weil er Knödel und Bier mag, die er als Symbol für das Tschechischsein wählt. Sein Arbeitsleben widmete er der Energietechnik – zunächst arbeitete er beim Unternehmen Energoinvest und später wechselte er zur Generaldirektion der Tschechischen Energiebetriebe.

Nach November 1989 beteiligte er sich an der Gründung des Verbandes der in Tschechien lebenden Ungarn und wurde für zwei Jahre sein Vorsitzender. Gerne erinnert er sich an die damalige Begeisterung und das Zusammengehörigkeitsgefühl, mit der sie den ersten ungarischen Ball in Prag veranstalteten. Sein Einsatz für seine Arbeit im neuen Energieunternehmen verhinderte für einige Zeit seine Teilnahme am Verbandsleben, doch vor sechs Jahren begann er sich wieder in die Tätigkeiten des Verbandes einzubringen und wurde Vorsitzender der Prager Organisation. Außer der Organisation von Kultur- und Gesellschaftsveranstaltungen widmet sie sich auch der Grabpflege von zu unterschiedlichen Zeiten in der Geschichte gestorbenen Ungarn auf tschechischem Gebiet.

Béla Szaló verstarb im Dezember 2018.

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Stanislav Tišer (*1957)

Stanislav Tišer (© Post Bellum)
Stanislav Tišer (© Post Bellum)

Seit seiner Kindheit hatte er die Neigung Schwächere zu verteidigen, wenn sie angegriffen wurden, und konnte sich immer gut prügeln. Er kommt aus einer Roma-Musikerfamilie aus Plzeň (Pilsen) und ist eines von acht Geschwistern. Mit 15 begann er als Arbeiter in einer Bierbrauerei zu arbeiten.

Als Jugendliche zum Spaß seinen Bruder angriffen, schlug er sich mit ihnen. Dabei bemerkte ihn der Boxtrainer Karel Beran und ludt ihn in seinen Klub ein. Boxen wurde sein Leben. Er zog nach Prag und wurde in die Nationalmannschaft aufgenommen. In der Gewichtsklasse bis 54kg war er eine Boxgröße und errang in seinen 25 Jahren Teilnahme an Boxwettbewerben zahlreiche Titel. Siebenmal wurde er Republikmeister. Gleichzeitig ernährte er sich im Sozialismus von illegalem Geldwechsel und bewegte sich im Milieu von Devisenschiebern und der Unterwelt.

1990 trat er seinen letzten Boxkampf an und entschied, seine Karriere zu beenden. In seinem Leben kam es zu einer radikalen Wende. Er gründete in Prag einen Boxklub. Dort bringt er seinen Schützlingen nicht nur Boxen bei, sondern erklärt ihnen auch, welche Gefahren drohen,wenn sie ihre gesamte Zeit auf der Straße rumhängen anstatt zu lernen, zu arbeiten und sich ihren Interessen zu widmen. „Einige sagen, dass sie in mir einen Vater oder Onkel sehen, aber das gefällt mir nicht. Ich bemühe mich einfach ihnen zu helfen und zu zeigen, wie es geht, damit es nicht schief läuft,“ erklärt er.

Mit seinen Boxhandschuhen repräsentierte er die Tschechoslowakei, sie verhalfen ihm zur Anerkennung, aber dank ihnen lernte er auch im realen Leben in der Mitte der tschechischen Gesellschaft zu bestehen.

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Logo EUDie Ausstellung wurde mit EU-Mitteln aus dem Kleinprojektefonds in der Euroregion Elbe/Labe gefördert.

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