Wochenrückblick Nr. 60
13.12.2024
Hejtman von Ústí im Interview
![Richard Brabec](/site/assets/files/40131/richard_brabec_2019.300x0-is.webp)
Der neue Hejtman des Ústecký kraj (Bezirk Ústí), Richard Brabec, hat in einem Interview mit der Tageszeitung Deník über seine Ziele und Perspektiven gesprochen.
Inhaltlich legte er den Schwerpunkt auf zwei Themen: Zum einen möchte er sechs bis sieben Milliarden Euro aus dem Just Transition Funds der EU in den Bezirk lenken, um die wirtschaftliche Transformation zu unterstützen und den Rückstand gegenüber anderen Regionen zu verringern. Er sieht seinen Bezirk gemeinsam mit dem Karlovarský kraj (Bezirk Karlsbad) als am schlechtesten entwickelt in Tschechien an, während der ebenfalls oft zu den Nachzüglern gezählte Mährisch-Schlesische Bezirk (um Ostrava) seiner Meinung nach auf einem wesentlich besseren Weg wäre, u.a. auch wegen erfolgreicher Hochschulen.
Das zweiten wichtige Thema für ihn sind die sog. ausgeschlossenen Stadtteile, in denen sich sozial schwache Bevölkerung – oft Roma – konzentriert und unter unwürdigen Bedingungen lebt. Dort gibt es viele Immobilieneigentümer, die sich mit der Unterbringung armer Menschen in völlig heruntergekommenen Häusern eine goldene Nase verdienen, weil deren Miete direkt vom Staat an sie gezahlt wird. Dem will Brabec gern ein Ende machen und dafür in Prag auf gesetzliche Änderungen dringen. Seiner Meinung nach sind Wohngebäude für Arme besser in kommunaler Hand aufgehoben, was für einen Politiker der ANO eine durchaus bemerkenswerte Aussage ist. Er wandte sich bei der Gelegenheit auch strikt gegen die Initiative eines Senators der bürgerlichen ODS, der vorschlug, Obdachlose ins Gefängnis zu werfen.
Hinsichtlich seiner persönlichen Perspektive ließ er etwas im Unklaren, ob er länger als ein Jahr Hejtman bleiben wird. Er tritt im Herbst 2025 wieder bei den Parlamentswahlen an und wird bei gewonnenem Mandat möglicherweise seinen Platz in Ústí räumen. Dazu muss man wissen, dass er ungeplant in diese Rolle kam, nachdem der vorherige Kandidat wegen Korruptionsermittlungen wenige Wochen vor den diesjährigen Bezirkswahlen ausschied. Möglicherweise hat er nur schnell die Kartoffeln für die ANO aus dem Feuer geholt.
Schinken statt Bier in Litoměřice
![Pivovar Litoměřice](/site/assets/files/40131/pivovar_litomerice.400x0-is.webp)
Das Gelände der ehemaligen Stadtbrauerei mitten in Litoměřice ist prominent gelegen – direkt neben der Burg – und vermutlich vor allem durch den markanten Schornstein bekannt. Hier wurde seit 1720 gebraut (u.a. ein Bier namens Kalich), doch 2002 musste die Produktion eingestellt werden. Die Stadt hatte danach das Gelände erworben und mit Fördermitteln einen Teil saniert, um es einem neuen Brauunternehmen zu verpachten. Dessen Aktivitäten waren jedoch kein Erfolg und es musste sich zurückziehen.
Nun hat ein örtlicher Hersteller von hochwertigem Schinken und anderen Wurstwaren, die PRŠUTÉRIE Chovaneček (man beachte das hübsch über Umwege tschechisierte Italienisch), das Areal übernommen und wird bereits im Januar mit der Produktion einziehen. Ein nächster dafür sanierter Teil wurde heute feierlich eröffnet. Für die Stadt ist dies ein weiterer Schritt zur Aufwertung und Wiederbelebung dieses genau zwischen dem berühmten Marktplatz und der Burg, zwei wichtigen touristischen Highlights, gelegenen Quartiers. Am Tyršovo náměstí hat sie bereits einiges getan, nächstes Jahr ist der Innenbereich des Brauereigeländes dran.
Wenige Frauen in der Wissenschaft
Die Stellung von Frauen in der Wissenschaft ist in Tschechien so schlecht wie in keinem anderen EU-Land. Das meldet das Landesecho unter Berufung auf einen Bericht der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik, der auf Daten von 2005 bis 2022 basiert. Der Gesamtanteil tschechischer Frauen an der Spitze von Universitäts- und Forschungseinrichtungen lag demnach im Jahr 2022 bei insgesamt 13,5 Prozent. Im gesamten Bereich (also nicht nur den Spitzenpositionen) betrug der Frauenanteil 28,7 Prozent.
Wissenschaftlerinnen meinen, dass Frauen sich in Tschechien viel mehr anstrengen müssten, um die gleichen Positionen zu erreichen wie ihre männlichen Kollegen. Zwar nehme die Anzahl an Doktorandinnen in Tschechien zu, es mangelt aber noch immer an Frauen in höheren Positionen. Die Unterschiede seien bereits in der Ausbildung junger Menschen spürbar, da technische und naturwissenschaftliche Bereiche weiterhin als Berufsfelder für Männer beworben würden.
Alte Fugauer gesucht
Der Ort Fugau (tschech. Fukov) lag direkt an der böhmisch-sächsischen Grenze im Schluckenauer Zipfel, genauer im Fugauer Zipfel, also einer Ausstülpung an einer Ausstülpung der Grenze, zwischen Taubenheim und Neusalza-Spremberg. Die Bahnlinie von Dresden nach Zittau führt hier rund 1 km über tschechisches Gebiet (siehe Karte).
1945 hatte das Dorf 145 Häuser und ca. 800 Einwohner. Nach dem 2. Weltkrieg wurden die deutschen Einwohner vertrieben und der Ort bis 1960 komplett abgerissen. Im Gegensatz z.B. zu Vorderzinnwald findet man hier kaum noch Spuren der früheren Besiedlung.
Die Initiative „Světlo pro Fukov“ (Licht für Fugau) möchte im nächsten Jahr mit einigen Veranstaltungen daran erinnern, dass das Dorf vor 65 Jahren komplett von der Landkarte verschwand. Einerseits soll es im September vor Ort ein Happening geben, zum anderen wird eine Ausstellung gestaltet.
Dafür ist man einerseits auf der Suche nach Zeitzeugen, die in Fugau lebten und deren Erinnerungen man gern aufzeichnen möchte. Zum anderen suchen die Macherinnen Fotos oder andere Gegenstände für ihre Ausstellung.
Wer Zeitzeuge ist oder Zeitzeugen kennt oder auch mit Fotos und Gegenständen dienen kann, ist herzlich eingeladen, per Email unter zaniklaobecfukov@gmail.com oder per Telefon unter +420 732 745 571 Kontakt zur Initiative aufzunehmen.
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