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Derweil in Tschechien... 39/25

Ergebnisse der tschechischen Parlamentswahlen – Was lassen ANO, SPD und Motoristé erwarten? – Brabec bleibt Hejtman in Ústí – Ziegenbahn könnte verlängert werden

10.10.2025

Ergebnisse der tschechischen Parlamentswahlen

In Tschechien fanden am 3. und 4. Oktober die Parlamentswahlen statt. Im Ergebnis wurde die bisherige Regierung abgewählt.

Ergebnisse der tschechischen Parlamentswahl 2025
Ergebnisse der tschechischen Parlamentswahl 2025 (© kurzy.cz)

Eindeutiger Wahlsieger ist die Partei ANO des Milliardärs Andrej Babiš, der bereits von 2017 bis 2021 Regierungschef war. Seine Partei bekam 35% der Stimmen. Letzte Umfragen hatten ein Ergebnis um 30% vorhergesagt, weshalb vermutet wird, dass Wähler von kleineren Parteien zur ANO umgeschwenkt sind, um eine Ablösung der jetzigen Regierung sicherzustellen. Derzeit befindet sich Babiš in Gesprächen über eine gemeinsame Regierungsbildung mit der rechtspopulistischen SPD (Partei der direkten Demokratie), die 8% erreichte, und der Autofahrerpartei Motoristé sobě (Motoristen), die auf 7% kam. Beide lagen damit unter den Prognosen, scheinen also auch an die ANO abgegeben zu haben.

Die bisherigen Regierungsparteien, das konservative Bündnis SPOLU (23%) und die Bürgermeisterpartei STAN (11%), verloren ihre Mehrheit. Bis letztes Jahr waren auch die Piraten an der Regierung beteiligt und kamen diesmal auf 9%.

An der 5%-Hürde gescheitert ist mit 4,3% das Bündnis Stačilo!, in dem die – nur geringfügig modernisierten – Kommunisten der KSČM dominieren und das vor der Wahl als potenzieller Koalitionspartner der ANO galt (die bereits 2018-2021 mit der KSČM regierte). Auch die in der Bedeutungslosigkeit verschwundenen Sozialdemokraten der ČSSD sind dort untergekommen, was stark kritisiert worden war und zu eine Reihe prominenter Parteiaustritte geführt hatte. Vor der Wahl wurden Stačilo! rund 7% prognostiziert, doch gerade von dieser Partei scheinen viele Wähler zur ANO umgeschwenkt zu sein.

Erfreulich ist die mit 69% sehr hohe Wahlbeteiligung, die höchste seit 1998. In Tschechien gibt es oft recht niedrige Wahlbeteiligungen, vor allem bei den Europa-Wahlen ist man meist unter den Schlusslichtern. 

Bei den im Ausland wählenden Tschechen sah das Ergebnis völlig anders aus: Hier siegte SPOLU mit 39% vor den Piraten (28%) und der STAN (22%). Die Partei Ano kam nur auf rund 4%, die SPD und Motoristé sobě jeweils auf etwa 2%. Insgesamt gaben 37.654 Tschechen ihre Stimme im Ausland ab, was einer Wahlbeteiligung von 79% entspricht.

Was lassen ANO, SPD und Motoristé erwarten?

Andrej Babiš (ANO)
Andrej Babiš (ANO)

In der deutschen und westlichen Presse wurden Babiš und die ANO gern in einen Topf mit Orban, Fico und der FPÖ geworfen und befürchtet, dass nach seinem Wahlsieg auch Tschechien sich der Fundamentalopposition gegenüber der EU anschließen würde, insbesondere in Bezug auf die Unterstützung der Ukraine. Verschiedene Kommentare in der tschechischen Presse sehen diese Gefahr jedoch nicht. Zwar wäre die ANO im EU-Parlament Mitglied der Fraktion "Patrioten für Europa" mit diversen rechtspopulistischen Parteien wie der Fidesz, der FPÖ oder dem Rassemblement National, jedoch solle man das nicht zu ernst nehmen, da Babiš vor allem Pragmatiker sei. So wird auch betont, dass man ANO und die deutsche AfD nicht gleichsetzen dürfe, auch wenn letztere sich erfreut über Babišs Wahlsieg zeigte.

Anders als die erwähnten Parteien hat die ANO z.B. das Thema Migration nie in den Mittelpunkt gestellt. Auch die Mitgliedschaft in EU und NATO werden absolut nicht in Frage gestellt. Babiš gilt als Politiker, der wie ein Geschäftsmann – der er ja eigentlich sei – vor allem danach schaue, was bei seinen "Kunden", also den Wählern, am besten ankommt, und seine politische Haltung dem leicht anpassen kann. Gerade im ersten Jahr der COVID-Pandemie sei dies sehr deutlich geworden. Er wäre keine grundlegende Gefahr für Demokratie und Rechtsstaat, jedoch müsse man sehr auf die Trennung seiner wirtschaftlichen Interessen vom politischen Handeln achten. Dies wird als die größte Gefahr gesehen, und auch Präsident Petr Pavel hat deutlich eine rechtssichere Lösung für die Trennung Babišs von seinem Konzern Agrofert und seinen Medienunternehmen angemahnt, die ihm zugesichert wurde. Man erwartet von Babiš einen Fokus auf sozialpolitische Themen wie steigende Lebenshaltungskosten, Renten und Energiepreise. Schon in seiner ersten Amtszeit hatte er sich z.B. mit einer Reihe von Vergünstigungen für Rentner viel Sympathie bei dieser Wählergruppe verschafft.

Tomio Okamura (SPD)
Tomio Okamura (SPD) (© Tomio Okamura, Wikipedia; CC BY-SA 4.0)

Große Befürchtungen bestehen hinsichtlich einer Änderung der tschechischen Politik zur Unterstützung der Ukraine. Die tschechische Munitionsinitiative hat dem Land in der Verteidigung gegen die Invasion Russlands sehr geholfen und Tschechien viel Renommee verschafft. Während Babiš vor der Wahl noch von einer Beendigung dieser Initiative sprach, betont er nun, dass sich vor allem keine Unternehmen daran übermäßig bereichern dürften und dafür sowie für Waffenlieferungen kein Geld aus dem tschechischen Staatshaushalt bereitgestellt würde. Das solle über die NATO bzw. die EU geschehen. Eine Blockadepolitik wie von Ungarn und der Slowakei wäre wohl nicht zu erwarten.

Hinsichtlich der Verhältnisses Tschechiens zu Deutschland und der EU werden von den Kommentatoren keine großen Änderungen erwartet. Manche meinen sogar, dass sich der Unternehmer Babiš mit Friedrich Merz sehr gut verstehen und ihm aufgrund seiner geschäftlichen Interessen in Deutschland besonders an guten Beziehungen gelegen sein dürfte.

Filip Turek (Motoristé sobě)
Filip Turek (Motoristé sobě) (© Facebook Filip Turek)

Die Sondierungen der ANO in dieser Woche mit SPD und Motoristé sollen u.a. klären, ob man eine Koalition bilden oder eine Minderheitsregierung der ANO tolerieren wird. Dafür dürften vor allem die Unterschiede zwischen den beiden kleineren Partnern eine Rolle spielen. Die Motoristé werden im Wesentlichen als eine wirtschaftsliberale Partei gesehen, die sich für Deregulierung, Privatisierung, niedrigere Steuern und Staatsabbau einsetzt. Dabei stehen die Mitgliedschaften in NATO und EU für sie nicht in Frage, auch wenn die Partei vor allem durch ihre Kritik am Green Deal der EU groß geworden ist. Die SPD hingegen ist eine mindestens rechtspopulistische Partei, die am stärksten der AfD ähnelt und bei der Ausländerfeindlichkeit und die Ablehnung von Migration den Markenkern bilden. Sie befürwortet den Austritt aus der EU und hat ein kritisches Verhältnis zum Rechtsstaat. So stieß stieß SPD-Chef Okamura in dieser Woche mit Äußerungen, dass er Innenminister werden und sofort den Polizeichef entlassen wolle, weil gegen ihn selbst ermittelt wird, auf deutliche Ablehnung selbst beim zukünftigen Partner ANO. Ob Babiš so eine irrlichternde Figur bzw. Partei im Kabinett haben will, wird bezweifelt.

Als erste Nagelprobe steht der neuen Regierung die Verabschiedung des Haushalts bevor. Der Entwurf wurde noch von der bisherigen Regierung eingebracht. ANO und SPD wollen das darin enthaltene Defizit noch ausweiten, die Motoristé sind dagegen.

Brabec bleibt Hejtman in Ústí

Richard Brabec
Richard Brabec (© David Sedlecký; CC BY-SA 4.0)

Der erst im vorigen Jahr gewählte Hejtman des Bezirks Ústí, Richard Brabec von der Partei ANO, hat in der Parlamentswahl ein Mandat gewonnen. Man war bereits voriges Jahr davon ausgegangen, dass er zur Wahl antreten wird, und es wurde darüber spekuliert, ob er den Posten als Hejtman nach einem Jahr schon wieder aufgeben würde (wir berichteten). Nun ist es klar: Er verzichtet auf das gewonnene Mandat und bleibt Hejtman in Ústí.

Ziegenbahn könnte verlängert werden

Die Ziegenbahn in Telnice
Die Ziegenbahn in Telnice (© Dušan Petráš)

Noch im Juli mussten wir vermelden, dass die sog. Ziegenbahn zwischen Oldřichov u Duchcova und Krupka město von der tschechischen Eisenbahnverwaltung auf eine Liste von stillzulegenden Strecken gesetzt worden war. Die Bahn kann derzeit nur von Děčín bis Krupka als touristische Linie T11 (Infos und Fahrpläne hier) verkehren und die Sanierung des weiteren Streckenverlaufs wurde als unwirtschaftlich eingeschätzt. Nun wurde bekannt, dass die Eisenbahnverwaltung ihre Haltung geändert hat und eine Sanierung des Streckenabschnitts in Erwägung zieht. Dafür habe der Bezirk Ústí sich sehr stark gemacht, der vor allem auf das touristische Potenzial der Strecke setzt.

 


 

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