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Derweil in Tschechien... 9/25

Konkordat mit Vatikan gebilligt – Löhne steigen, Armut sinkt – Hohe Umsätze an Glücksspielautomaten – Bessere finanzielle Unterstützung für Studierende – Jeder zehnte Einwohner Tschechiens ist Ausländer – Tschechen bei Unterstützung für Ukraine gespalten – Lehrermangel auch in Tschechien – Liberecer Hejtman Půta übersteht Misstrauensvotum

07.03.2025

Konkordat mit Vatikan gebilligt

Kardinal Pietro Parolin und Premier Fiala stoßen an nach Unterzeichnung des Konkordats am 24.10.2024 in Prag
Kardinal Pietro Parolin und Premier Fiala stoßen an nach Unterzeichnung des Konkordats am 24.10.2024 in Prag (© Úřad vlády)

Das tschechische Parlament hat gestern der Ratifizierung eines völkerrechtlichen Vertrags mit dem Vatikan zugestimmt, der diverse Aspekte des Verhältnisses zwischen der katholischen Kirche und dem Staat regelt (hier auf Tschechisch). Der Senat hat ihm schon zugestimmt, so dass nur noch die Unterschrift von Präsident Pavel fehlt.

Besonders umstritten war und ist dieses Konkordat aufgrund der Regelungen zum Beichtgeheimnis. Kritiker befürchten, dass unter Berufung darauf die Aufklärung von Missbrauchsvorwürfen innerhalb der katholischen Kirche behindert werden könnte. Laut Justizminister Blažek würde der Vertrag jedoch nicht den Umfang des Beichtgeheimnisses festlegen und – im Gegensatz zu ähnlichen Verträgen mit anderen Ländern – dieses Recht auch nicht als unverletzlich und absolut deklarieren. Daher, so der Minister, werde sich die Lage der Missbrauchsopfer in der Kirche nicht verschlechtern. Die tschechische Bischofskonferenz sieht das genauso.

Neben dem Beichtgeheimnis ist im Konkordat verankert, dass die Tschechische Republik die volle Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit im Einklang mit der Rechtsordnung garantiert. Es garantiert auch das Recht, den Militärdienst zu verweigern und die Erbringung von Gesundheitsdiensten aus Gewissens- oder Religionsgründen unter rechtmäßigen Bedingungen abzulehnen. Ehen, die in der katholischen Kirche geschlossen werden, haben dem Abkommen zufolge dieselbe Gültigkeit und dieselben Rechtsfolgen wie zivile Ehen. Beide Vertragsparteien werden beim Schutz und der Erhaltung des kulturellen Erbes zusammenarbeiten.

Die Sache hat bereits eine längere Vorgeschichte: Schon 2003 hat das Parlament über einen Vertragsentwurf beraten und ihn damals nicht gebilligt. Und auch diesmal ist er noch nicht in trockenen Tüchern, denn einige Abgeordnete haben eine Klage vor dem Verfassungsgericht angekündigt. Präsident Pavel will dann entscheiden, ob er mit seiner Unterschrift bis zu dessen Urteil wartet. Sollte der Vertrag ratifiziert werden, wäre Tschechien eines von 64 Ländern weltweit und von 25 in Europa mit einem Konkordat. Das Konkordat der Bundesrepublik ist übrigens noch das 1933 mit Hitler geschlossene, welches weiterhin gilt.

Löhne steigen, Armut sinkt

Der durchschnittliche Monatsbruttolohn in Tschechien ist im 4. Quartal 2024 auf 49.229 CZK (ca. 1970 Euro) gestiegen, meldet ČTK. Das ist ein Anstieg um 7,2% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Abzüglich der Inflation bedeutete dies einen realen Lohnzuwachs von 4,2%. Es ist aber zu beachten, dass das Einkommen von ca. zwei Drittel aller Arbeitnehmer unterhalb des Durchschnitts liegt. Die höchsten durchschnittlichen Zuwächse verzeichneten die tschechischen Rentner.

Nach der jährlichen Haushaltsbefragung für 2024 (die ungefähr den Stand vom Frühjahr wiedergibt) ist der Anteil von Menschen mit einem Einkommen unterhalb der Armutsgrenze von 9,8% auf 9,5% gesunken. Hier gibt es deutliche Unterschiede zwischen verschiedenen Gruppen: Während rund 9% aller Familien mit zwei Elternteilen unter Einkommensarmut leiden, betrifft dies rund 36% der Alleinerziehenden. Insgesamt betont das tschechische Statistikamt, dass Tschechien im EU-Durchschnitt relativ gut dastehen würde.

Hohe Umsätze an Glücksspielautomaten

In Tschechien wurden im vergangenen Jahr 983 Milliarden Kronen (39,20 Milliarden Euro) bei Glücksspielen eingesetzt, ein Anstieg um 12,5% gegenüber dem Vorjahr, die ČTK meldet. Der größte Teil entfiel auf technische Spiele (78,8%), also vor allem Spielautomaten, vor den Sportwetten. Es wurden rund 21,4 Milliarden Kronen (853,39 Millionen Euro) an Steuern aus Glücksspielen eingenommen.

Zum Vergleich: Nach einer Studie der Deutschen Automatenwirtschaft wurde mit Glücksspielautomaten in Deutschland 2022 ein Bruttoumsatz von ca. 5,3 Mrd. Euro erzielt. Das ist etwas mehr als ein Sechstel der Automatenumsätze in Tschechien, und das bei rund 8facher Bevölkerungszahl. Auch wenn die Statistiken aufgrund unterschiedlicher Zählweisen und Quellen sicher nicht direkt vergleichbar sind, ist ein Verhältnis von etwa 46:1 durchaus bemerkenswert. 

Das macht deutlich, warum Glücksspielautomaten in vielen Gebieten mit eher sozial schwacher Bevölkerung (z.B. in Nordböhmen) von so manchem als großes soziales Problem betrachtet werden. Dem geschärften Auge fällt dann auch beispielsweise in Ústí die traute Nachbarschaft von Spielhöllen und Pfandleihern auf.

Bessere finanzielle Unterstützung für Studierende

Was in Deutschland das BAföG, das ist in Tschechien das Sozialstipendium in Höhe von derzeit ca. 5000 CZK (ca. 200 Euro). Allerdings sind die Zugangsvoraussetzungen – vor allem hinsichtlich des Einkommens der Eltern – dafür sehr streng, so dass nur rund 500 Studierende in ganz Tschechien in dessen Genuss kommen. Das kritisieren nicht nur die Vertreter der Studierenden, sondern auch alle Parteien im Parlament sehen hier dringenden Änderungsbedarf, denn einerseits müssen viele Studierende nebenbei arbeiten, andererseits hat Tschechien seit langem eine der geringsten Studierendenzahlen in der EU.

Die tschechische Regierung möchte noch vor der Wahl im Herbst die Einkommensgrenzen anheben und so die Zahl berechtigter Studierender fast auf das Zwanzigfache anheben. Andere Parteien möchten sogar noch weiter gehen. Es ist deshalb damit zu rechnen, das die Neuregelung durchs Parlament kommt und ab nächstem Jahr in Kraft treten kann.

Jeder zehnte Einwohner Tschechiens ist Ausländer

Die Zahl der längerfristig (mehr als 3 Monate) in Tschechien lebenden Ausländer lag Ende 2024 bei 1.094.090 Personen, meldet das tschechische Innenministerium. Der Ausländeranteil in Tschechien liegt damit bei rund zehn Prozent. Der Anstieg gegenüber 2023 lag bei etwa 28.000 Personen und damit niedriger als in den Vorjahren.

Zahl der in Tschechien lebenden Ausländer
Zahl der in Tschechien lebenden Ausländer (© Tschechisches Innenministerium)

Die TOP10 der Herkunftsländer sind folgende (mit Prozentanteil an allen Ausländern):

Ukraine 589.456 54 %
Slowakei 121.472 11 %
Vietnam 69.015 6 %
Russland 38.970 4 %
Rumänien 21.049 2 %
Bulgarien 17.733 2 %
Polen 17.733 2 %
Deutschland 14.072 1 %
Mongolei 11.768 1 %
Ungarn 11.650 1 %

Tschechen bei Unterstützung für Ukraine gespalten

Nach einer vom Tschechischen Fernsehen beauftragten Umfrage spricht sich etwas mehr als die Hälfte der tschechischen Bevölkerung für eine Einschränkung weiterer Waffenlieferungen an die Ukraine aus. Auch die Zahl derer, die einen Sieg der Ukraine unter Rückgabe der von Russland besetzten Gebiete als idealen Kriegsausgang ansieht, hält sich etwa die Waage mit der Zahl derer, für die dies in einem Waffenstillstand mit Gebietsabtretungen besteht (jeweils rund 48%). Immerhin 4% der Befragten wünschen einen Sieg Russlands und die Okkupation der gesamten Ukraine. Auch im Hinblick auf einer weiterhin großzügige Hilfe für ukrainische Flüchtlinge sind die Ansichten ungefähr hälftig dafür und dagegen aufgeteilt. Dennoch sind ca. 61% für schärfere Sanktionen gegen Russland.

Lehrermangel auch in Tschechien

Nicht nur das deutsche Schulsystem leidet unter Lehrermangel, sondern auch das tschechische. Laut dem Bildungsministerium könnte bis 2035 ein Defizit von ca. 23.000 qualifizierten Lehrkräften an Grund- und Sekundarschulen entstehen, meldet Radio Prag. Dies könnte einen Anstieg des Anteils unqualifizierter Lehrkräfte auf 20% mit sich bringen (derzeit 10% an Grund- und 7% an Sekundarschulen). Um es nicht soweit kommen zu lassen, möchte Bildungsminister Bek, dass sich im nächsten Semester 5% mehr Lehramtsstudierende an den Unis einschreiben. Die Unis hingegen machen deutlich, dass sie darauf gar nicht vorbereitet seien.

Liberecer Hejtman Půta übersteht Misstrauensvotum

Der Anfang Februar in einem Korruptionsprozess teilweise schuldig gesprochene Hejtman der Bezirks Liberec Martin Půta (siehe Newsletter 6/25) hat ein Misstrauensvotum überstanden. Die Oppositionsparteien, die rechtspopulistische ANO und die rechtsextreme SPD, hatten dieses wegen der noch nicht rechtskräftigen Verurteilung angestrebt. Es stimmten allerdings nur 20 der 45 Abgeordneten des Bezirksparlaments dafür. Půta kämpft weiterhin um einen kompletten Freispruch.

 


 

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